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Mit Amazon ist die Tafel gedeckt

Die Kooperation von Die Tafel Österreich mit Amazon hilft Bedürftigen: neben Geld- und Sachspenden sind es vor allem die kostenlosen Transportleistungen, die bei der Versorgung mit Lebensmitteln den entscheidenden Unterschied ausmachen. Ein Online-Riese und eine NGO, passt das denn überhaupt zusammen? Logistik express hat nachgefragt.

Mit einem Bruttoinlandsprodukt von 57.081,05 Euro pro Kopf im Jahr 2023 liegt Österreich auf Rang 14 der reichsten Länder – knapp hinter San Marino. Gleichzeitig sind laut aktuellen Zahlen der Armutskonferenz unfassbare 14,9 Prozent der österreichischen Bevölkerung – das sind immerhin rund 1.314.000 Menschen! – armutsgefährdet, haben also ein Einkommen unter der Armutsschwelle. Hinzu kommen etwa 336.000 Menschen, die „erheblich materiell depriviert“ sind. Oder vereinfacht gesagt: Die sich nicht leisten können, eine kaputte Waschmaschine zu ersetzen, geschweige denn, in Urlaub zu fahren. „Hier sehen wir einen massiven Anstieg“, erklärt Alexandra Gruber, Geschäftsführerin der Tafel Österreich.

Seit bald 10 Jahren leitet sie die Geschicke der unabhängigen Non-Profit-Organisation, die täglich Lebensmittel vom Großmarkt Wien, aus Handel, Produktion, Landwirtschaft, Hotellerie und Gastronomie einsammelt und kostenfrei an soziale Einrichtungen wie die Gruft verteilt.

„Im letzten Jahr haben wir 1.038 Tonnen Lebensmittel gerettet und in 100 soziale Einrichtungen wie Notschlafstellen und Mutter-Kind-Heime gebracht. Die Anzahl der Einrichtungen bleibt stabil, aber die Zahl der Abnehmer an den einzelnen Standorten hat sich beinahe verdoppelt. Täglich holen wir mit Freiwilligen rund 4 Tonnen ab, davon allein ein bis zwei Tonnen vom Großmarkt, wo wir zwischen 6 und 9 Uhr unverkauftes Obst und Gemüse direkt einsammeln“, führt Gruber aus. Gerade ärmere Menschen haben oft mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen, wo eine gesunde Ernährung mit frischem Obst und Gemüse umso wichtiger ist, aber gerade diese Warengruppen sind dann unleistbar. In einem Onlineshop können die Sozialeinrichtungen aus den vorhandenen Gütern – hauptsächlich gemischte Obst- oder Gemüsekisten, aber auch haltbare Lebensmittel – auswählen und ein Mal pro Woche werden sie dann beliefert. Dahinter steckt natürlich ein immenser organisatorischer und logistischer Aufwand, und hier kommt Amazon ins Spiel.

Win-win-Situation

Rund zwei Jahre ist es her, dass Amazon mit der Idee der Kooperation an Die Tafel Österreich herantrat. „Wir wollen überall, wo wir tätig sind, einen Beitrag für die Gemeinschaft leisten.
Natürlich können wir das entsprechende Know-how bereitstellen, aber der wichtigere Aspekt ist aus meiner Sicht die Nutzung unseres Logistiknetzwerks. Im vergangenen Jahr wickelten wir den Transport von rund 20.000 Lebensmittelspenden für Die Tafel Österreich ab, insgesamt transportierten wir in diesem Zeitraum etwa 165.000 Güter für gemeinnützige Organisationen in Österreich“, berichtet Sebastian Sprigade, Standortleiter des Amazon Verteilzentrums in Wien Simmering – einer von inzwischen vier Amazon Logistikstandorten in Österreich, die Eröffnung eines fünften Verteilzentrums im Herbst in der Nähe von Graz ist fix geplant.

Gruber: „Wir sehen leider einen Rückgang sowohl bei den Freiwilligen, als auch bei den Spenden, was sicher daran liegt, dass immer mehr Menschen selbst unter der wirtschaftlichen Situation leiden und es sich bei ihnen nicht mehr ausgeht.“ Da ist es umso wertvoller, dass im Zuge der regelmäßigen „Freiwilligen-Wochen“ Amazon-Mitarbeiter von der Arbeit freigestellt werden, um zu helfen.

Sprigade: „Das Feedback unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die etwa beim Sortieren der Lebensmittel helfen oder im Rahmen der vierteljährlichen „TafelSammeltage“ das Abholen und Ausliefern von Lebensmittelspenden übernehmen, ist überaus positiv.“ Die Kooperation hat nicht nur einseitig positive Auswirkungen, auch Amazon profitiert. „Das freiwillige Mithelfen bei der Tafel und unseren anderen sozialen Kooperationen hat deutliche Auswirkungen auf das Bewusstsein unserer Mitarbeiter, etwa für Müllvermeidung und Verschwendung.“

Zusätzlich zur Arbeitskraft und Zeit sponserte Amazon Die Tafel Österreich seit 2022 mit über 70.000 Euro, allein 25.000 Euro diesen Juni – das entspricht 170.000 Mahlzeiten für armutsbetroffene Menschen. Getreu dem Motto „Tu Gutes und rede darüber“ unterstützt Amazon auch beispielsweise den gemeinnützigen Verein „Vienna Hobby Lobby“, der an vier Standorten in Wien kostenlose Freizeitkurse und Workshops für Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien organisiert. „Hier durfte ich vor Ort mithelfen und war sehr beeindruckt von der Sozialarbeit, die dort geleistet wird“, verrät Sprigade. Neben Geld- und Sachspenden ist auch hier die Zeit die wertvolle Ressource: Freiwillige helfen beim Aufbau und der Durchführung der Kurse.

Komplexe Logistik

Die Tafel Österreich verfügt aktuell über 5 Lieferfahrzeuge, die pausenlos im Einsatz sind. Gruber: „Manche Einrichtungen kommen die Lebensmittel selbst abholen, das ist natürlich hilfreich. Aber die große Herausforderung ist die Zustellung, nicht alle Abgabestellen liegen so, dass man problemlos mit einem großen Fahrzeug zuliefern kann.“

Mit Partnern und Transportdienstleistern erfolgt die Verteilung, auch in die Bundesländer. Manche Güter werden in Hubs zwischengelagert, etwa wenn aus einer Großspende überschüssiger Tomaten Sugo gemacht wird, um die Haltbarkeit zu verlängern. „Das können dann Hunderte Paletten sein, die kann man nicht so einfach vor die Tür stellen“, weiß Gruber.

Mit der Unterstützung von Transportpartnern wie Amazon kommen die Waren dann von der Produktionsstelle in kleinen Mengen zu den Einrichtungen. „Wir tauschen uns eng mit der Tafel Österreich aus, um unsere Logistikleistungen noch zielgerichteter zur Verfügung zu stellen und die Zusammenarbeit weiter auszubauen“, ergänzt Sprigade.

Gruber: „Wir suchen vermehrt Partner direkt in der Landwirtschaft, da es sich mehr auszahlt, als vielleicht einzelne Stücke oder Kisten im Einzelhandel zu holen. Hier merkt man, dass die Lebensmittelmärkte selbst durch Abverkäufe die Abfälle reduzieren.“

Eine digitale Drehscheibe soll dabei helfen, die Effizienz zu steigern und beispielsweise Waren vom Landwirt direkt zur nächstgelegenen Einrichtung geliefert werden, um die Wege kurzzuhalten und den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Gerade angesichts der Kostensteigerungen im Energiesektor ist das doppelt sinnvoll: „Die Kosten der Tafel Österreich allein in den letzten zwei Jahren sind um 50.000 Euro gestiegen – besonders betroffen sind die Bereiche Energie, Transport und Lagerung“, führt Gruber aus.

Ambitionierte Pläne

Stetig steigende Kosten, stagnierende Spenden und dennoch ein ehrgeiziges Ziel – durch eine Erweiterung des Angebots will Gruber zukünftig 150 Sozialeinrichtungen mit kostenlosen Lebensmitteln versorgen. Das geht nicht ohne Partner. „Wir wollen gemeinsam zeigen, welch große Wirkung Partnerschaften wie die mit Amazon auch für die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen – u. a. mit den Zielen ‚Kein Hunger‘ und ‚Halbierung der Lebensmittelverschwendung‘ – für die Gesellschaft und unseren Planeten haben können“, ergänzt Alexandra Gruber. Ohne professionelle Hilfe ist es für Betroffene so gut wie unmöglich, der Armutsfalle zu entkommen. Viele sind jedoch zu stolz, um diese Hilfe zu bitten. Gruber: „Durch die Abgabe der Lebensmittel sind die Menschen auch zugänglicher für Beratung und Sozialarbeit. Denn das ist ein Problem weniger, das sie lösen müssen – zu wissen, woher die nächste Mahlzeit kommt.“

Schließlich vermittelt Die Tafel Österreich auch Wissen, etwa Aufklärung über den sinnvollen Umgang mit Mindesthaltbarkeitsdaten oder Koch-Workshops und Tipps zur richtigen Lagerung. Alles auch mit dem Ziel, der Verschwendung von Lebensmitteln entgegenzuwirken. Und mit der Hoffnung, dass eines Tages kein Mensch in Österreich mehr Hunger leiden muss. (RED)

Quelle: LOGISTIK express Journal 3/2024 – Handel & Distanzhandel

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