| |

Man kommt aus dem Staunen nicht heraus

Erstmals seit über 30 Jahren wird in Österreich ein (Ex-)Bundeskanzler strafrechtlich verurteilt, während ein mehrfach angeklagter Ex-Präsident über’m Teich auf seinen nächsten Wahlsieg zusteuert. Ein in der High-Society hochgejubelter Investor sorgt für die größte Unternehmenspleite der heimischen Geschichte… was ist bloß los in der Bussi-Bussi-Gesellschaft?

Redaktion: Angelika Gabor

Ende 2023 ging ein Beben durch die österreichische Wirtschaftspresse: die Signa-Holding, Dach des weit verzweigten Unternehmens-Geflechts des Tiroler Society-Lieblings Rene Benko, war insolvent. Mit Pauken und Trompeten ging das Imperium des stets aus den Boulevard-
Medien lächelnden Tausendsassas mit dem teuren Geschmack unter. Glück im Unglück: als Immobilienkonzern halten sich die Auswirkungen auf die generelle Wirtschaftsentwicklung in Grenzen, schließlich wurde durch Signa weder produziert noch Waren geliefert, auch die Anzahl der betroffenen Mitarbeiter, die nun ohne Job dastehen, ist mit rund 80 überschaubar (natürlich ist jeder Arbeitsplatzverlust für den Einzelnen tragisch, aber vergleicht man es beispielsweise mit der Konsum-Pleite, bei der 15.081 Arbeitnehmer direkt betroffen waren, ist die Signa-Pleite noch harmlos).

Dennoch ein Schock: wie konnte das passieren? Wie kann man über 5 Milliarden Euro Schulden haben? Im Nachhinein stellte sich heraus, dass das Problem gar nicht so überraschend war, denn schon Ende 2022 – also ein Jahr vor dem Aus – wollte der Vorstand der Signa Prime und der Signa Development AG eine Stundung der fälligen Dividendenzahlungen an die Investoren erreichen. Allerdings erfolglos, es flossen Anfang 2023 Gewinnausschüttungen in Millionenhöhe und der vierköpfige Vorstand der Signa Prime selbst bezahlte sich satte 20 Millionen für das Jahr 2022 aus. Angesichts des immensen Schuldenberges machen die 20 Millionen das Kraut zwar auch nicht mehr fett, dennoch sind diese Beträge wieder einmal ein Paradebeispiel für die schier endlose Gier mancher Menschen. Eine Gier, die im Endeffekt ganze Existenzen vernichtet.

Kanzlerfreunde

Ein Ausgabenpunkt in der Signa-Gruppen-Buchhaltung sorgte für besonders viel mediale Aufmerksamkeit: die Rechnungen von Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ), der für seine Tätigkeiten als Berater (zum Thema Galeria/Kaufhof/Karstadt) sowie als Aufsichtsratsvorsitzender laut Recherche von “Profil” und “Süddeutsche Zeitung” stolze 6,3 Millionen Forderungen angemeldet hat. Und weil es so schön zum Thema passt, steht ein weiterer Ex-Kanzler auf der Payroll von Benko, nämlich Sebastian Kurz. Dieser stellte der Signa-Gruppe fürs Jahr 2023 ein Millionenhonorar in Rechnung. Aber was sind schon ein paar Milliönchen unter Freunden? Schließlich verbinden gemeinsame Reisen im Privatjet (beispielsweise zu Herrscherfamilien in Abu Dhabi oder Kuweit) und exklusive Sommerfeste (wie am Gardasee 2017). Einst gemeinsam über den Wolken, sind nun beide auf dem harten Boden der Realität angekommen. Zwar muss sich Sebastian Kurz nicht mit einer massiven Konzernpleite abmühen, doch besonders glücklich und unbeschwert dürfte er sich aktuell trotzdem nicht fühlen. Schließlich wurde er gerade (noch nicht rechtskräftig) wegen Falschaussagen im Untersuchungsausschuss schuldig gesprochen und zu acht Monaten bedingter Haft verurteilt.

Richter Michael Radasztics sah es als erwiesen an, dass Kurz wie von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) vorgeworfen rund um die Bestellung der Öbag-Aufsichtsräte falsch ausgesagt und Details über seine Einbindung ausgelassen hatte, um das Image der türkisen ÖVP zu bewahren. Somit läge kein Aussagenotstand vor. Außerdem habe Kurz weder Einsicht noch Reue gezeigt… fraglich, ob er sonst mit einem leichten Klaps auf die Finger davon gekommen wäre. Dass das möglich war, sah man bei der mitangeklagten Ex-Casinos-Managerin und ÖVP-Vizeparteiobfrau Bettina Glatz-Kremsner, bereits am ersten Verhandlungstag Verantwortung übernahm und dadurch mit einer Diversion samt Geldstrafe, aber ohne Verurteilung ihres Weges ging. Nach der Verurteilung von Sebastian Kurz ging jedenfalls mit Sicherheit ein Raunen durch die Runde – ich bin sehr sicher, dass die Wenigsten damit gerechnet haben. Schließlich sind Verurteilungen in diesen Kreisen eher die Ausnahme als die Regel. Natürlich wurde Berufung eingelegt, bis zu einer endgültigen Entscheidung wird noch viel Zeit vergehen. Ob Kurz und Benko die Zeit bis dahin nutzen, um wieder gemeinsam zu verreisen? Ich bezweifle es.

Phänomen Trump

Am 5. November 2024 finden in den USA die Präsidentschaftswahlen statt. Der Ausgang hat Auswirkungen auf die gesamte Welt, nicht nur wirtschaftspolitisch, sondern insbesondere
auch im Hinblick auf die Position der NATO, den Konflikt mit der Hamas und den Krieg in der Ukraine. Was in Europa überwiegend für ungläubiges Kopfschütteln sorgt, bereitet vielen US-Amerikanern (für uns wenig nachvollziehbar) scheinbar große Freude: Donald Trump gewinnt eine Vorwahl nach der anderen gegen seine Konkurrentin Nikki Haley und dürfte somit (wieder) als Kandidat der Republikaner ins Rennen ums höchste Amt der USA starten. Es wird zum Wettlauf mit der Zeit für Trump, denn vom Gefängnis aus kann er wohl kaum gewählt werden. Laut britischer Onlinezeitung “Independent” drohen dem Ex-Präsidenten bei Verurteilung in den offenen 91 Anklagepunkten insgesamt 700 Jahre Haft. Dürfte schwierig werden… nicht nur angesichts des fortgeschrittenen Alters (Donald Trump ist 77). Es läuft auf ein Duell der “alten weißen Männer” hinaus, wobei man dem aktuellen US-Präsidenten Joe Biden – er wird kurz nach dem Wahltag 82 Jahre alt – durchaus schon eine geruhsame Pensionszeit wünschen würde. Geht es nach dem US-amerikanischen Historiker und Politikwissenschaftler Allan Lichtman, muss diese jedoch noch warten. Er prognostiziert zum aktuellen Zeitpunkt nämlich eine Wiederwahl Bidens. Seit 1984 hat sich Lichtman nur ein Mal geirrt – er hatte Al Gore als Sieger vorhergesehen. Die damalige Wahl wurde nach mehreren Auszählungspannen vom Gericht entschieden, Al Gore hatte schlussendlich eine halbe Million mehr Wählerstimmen, aber weniger Wahlmänner (Elektoren) hinter sich. Ein Hoch auf das US-amerikanische Wahlsystem. Gewinnt Trump, ist es in vier Jahren vorbei. Denn anders als noch zu Roosevelts Zeiten kann seit 1951 jeder Mensch nur zwei Mal zum US-Präsidenten gewählt werden.

Man muss gar nicht nach Nordamerika reisen, um sich mit “Trumpismus” auseinandersetzen zu können. Europaweit findet ein Umbruch im Parteiensystem statt, öffentliche Debatten rücken deutlich nach rechts und die soziale Gesellschaftsspaltung hat nicht erst seit der Corona-Krise deutlich zugenommen. Rechtspopulismus ist in Mode, jeder ist sich selbst der Nächste. Und die EU? Die steht sich in ihrer demokratischen Konstruktion oft selbst im Wege. Das wissen eigentlich alle – aber es “braucht” Politiker wie Viktor Orbán, die das zu ihrem Vorteil nutzen. Möge die Macht mit uns sein… (RED)

LOGISTIK express Journal 1/2024, Politik & Wirtschaft

Ähnliche Beiträge